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Wiedertäufernotgeld

Münsters „Wiedertäufernotgeld“ von 1921

Die „Wiedertäufer“, die man heute meist neutraler als Täufer bezeichnet, waren und sind in Münster immer präsent, mal mehr, mal weniger. In den 1920er Jahren aber ganz besonders: Damals ließ die Stadt sogar Geldscheine mit Motiven aus der Täuferzeit von 1534 bis 1536 entwerfen. Was hat es mit diesem „Wiedertäufernotgeld“ auf sich?

Während des Ersten Weltkriegs (1914–1918) und in den Jahren danach horteten die Bürger im gesamten Deutschen Reich aus Angst vor einer Währungsreform Münzgeld aus Bunt- oder Edelmetall. Sie hofften, dass es nach einer befürchteten Währungsreform seinen Wert vollständig behalten würde, anders als das wertlose Papiergeld. Der öffentliche Zahlungsverkehr wurde dadurch jedoch stark behindert, Wechselgeld für kleine Beträge fehlte und es entstand ein akuter Kleingeldmangel. Städte, Gemeinden, Firmen und private Geschäfte gaben daher mit mehr oder weniger großer Zustimmung der jeweiligen staatlichen Ämter Notgeldmünzen oder Notgeldscheine heraus, meist zu Werten von 5, 10, 25, 50 und 75 Pfennig sowie 1, 2 und 5 Mark.

Das Notgeld als Sammlerobjekt

Auch die Stadt Münster griff auf diese Art der Kleingeldbeschaffung zurück: 1917 und 1918 wurden 10 und 25 Pfennigstücke aus Zink bzw. Eisen herausgegeben. Solche Notgeldmünzen und -scheine, meist dekorativ gestaltet und mit Motiven aus der jeweiligen Stadtgeschichte verziert, entwickelten sich seit etwa 1919 zu begehrten Sammlerstücken. Zu diesem Zeitpunkt war der Bedarf an Kleingeld jedoch bereits wieder gedeckt, so dass ab etwa 1920 die Geldscheine fast ausschließlich für Sammler produziert wurden. Da sie in der Herstellung preiswert waren, versprach der Verkauf für die städtischen Kassen einen lukrativen Gewinn, da die Scheine nicht wieder gegen gültige Zahlungsmittel eingelöst wurden.

Münsters besonderes Notgeld

Auch in Münster sah man hier eine Möglichkeit zur Aufstockung des städtischen Haushalts. Die Stadt beauftragte den Paderborner Graphiker Josef Dominicus (1885–1973), der bereits für zahlreiche Städte und Gemeinden Notgeld entworfen hatte, mit der Gestaltung von zwei Notgeldserien. Im Wert von 50 Pfennig sollte eine Serie von fünf Scheinen mit Stadtansichten, und im Wert von 2 Mark eine Serie von fünf Scheinen zum Thema „Wiedertäufer“ produziert werden. Die Entwürfe, Vorstudien und sogar Probeandrucke zu diesem „Wiedertäufernotgeld“ sind im Stadtarchiv Münster erhalten. Die Scheine beider Serien waren schließlich im Sommer 1921 fertig. Für das „Wiedertäufernotgeld“ wurden spezielle kleine Mappen hergestellt, in denen die mit den Buchstaben A–E gekennzeichneten Scheine als Serie verkauft wurden.

Die Entwürfe von Josef Dominicus im Detail

Auf den Vorderseiten der Scheine stehen unten die Angabe „Notgeld der Stadt Münster i./W.“ und zweimal die Wertbezeichnung, dazu jeweils Abbildungen und Texte in niederdeutscher (plattdeutscher) Mundart.

Die Rückseiten zeigen ebenfalls zweimal die Wertbezeichnung, dazu Szenen aus der „Wiedertäuferzeit“ sowie die Angabe der Einlösungsfrist: „Einlösungstermin 1 Monat nach erfolgtem öffentlichem Aufruf / Münster i.W. den 1. August 1921 / Der Magistrat“. Es folgen zwei Unterschriften: Dr. Dr. h.c. Georg Sperlich (Oberbürgermeister) und Wilhelm Darius (Stadtsyndikus).

Das Auftreten mehrerer sachlicher Fehler bei den Texten und Bildern zeigt, dass der Künstler sich nicht sehr intensiv mit der Geschichte der Täufer auseinandergesetzt hat. Der Auswahlkommission waren sie nicht aufgefallen.

Schein A

Auf der Vorderseite das Porträt des Jan van Leiden frei nach dem berühmten Kupferstich von Heinrich Aldegrever (1536). Darüber steht: „JAN BOCKELSON, SNIDER IN LEYDEN GEBUREN IS WIERDAIPERKÜNINK IN MONSTER WUORN / 1534–1536“.

Die Rückseite zeigt Bernhard Rothmann bei der Disputation und Auslegung der Schrift am 7. und 8. August 1533: „DE PRIÄDIGER Rottmann verdeffendeert (verteidigt), wat üöwer de Wierdaup is lehrt“. Daneben sind zwei Bücher abgebildet.

Schein B

Die Vorderseite zeigt das Porträt des Bernd Knipperdollinck frei nach Aldegrever. Das über die Schulter gelegte Schwert ist bei Aldegrever noch nicht vorhanden, sondern wurde von Dominicus hinzugefügt. Über Knipperdollinck steht dort: „DEN BERNT KNIPPERDOLLINCK, EN Händler met dook (Tuch), den Jan van Leyden to’n Schaprichter mook“.

Die Rückseite trägt die Abbildung der durch die Stadt laufenden Täufer: „De wierdaipers, von raoserie vull, schreit: ‚Wehe, Wehe!’ und ‚Busse’ äs dull“. Daneben sind ein Schwert und eine Helmbarte abgebildet.

Schein C

Die Vorderseite ziert das Porträt des Bernd Krechtinck nach dem Phantasieporträt in der Kerssenbroick-Ausgabe von 1771, auch er wird kurz charakterisiert: „Berntken krechtinG, to gildehus pastor, was bi de wierdai – pers en Hauptmattedor“.

Die Rückseite zeigt die Erschießung einer Frau (?) im Zusammenhang mit dem Aufstand des Schmiedes Bernd Mollenhecke gegen die Einführung der Vielfrauenehe am 29. Juli 1534. Auf Plattdeutsch heißt es dort: „wat giegen de viellwiwerie stoon op, dat kreeg von de wierdaipers wat op’n kopp“. Neben dem Text finden sich die Abbildung von zwei Herzen, die von einem Schwert durchstochen sind, sowie ein Zepter mit der Königskrone.

Schein D

Vorne ist die Abbildung des Königswappens des Jan van Leiden nach dem Kupferstich von Aldegrever zu sehen. Der Spruch „EIN konink up recht over all, ein godt, ein gloeve, ein doepe“ ist der Inschrift der Taler der Täufer entnommen.

Die Rückseite zeigt eine Gerichtsszene: Der König Jan van Leiden thront unter einer Arkade des Prinzipalmarktes, umgeben von einer Menschenmenge. Der Satz „dat’m ut’n snider all’s maken kann, dat süht’m den jans äs künink an“ spielt auf den Aufstieg des Schneiders zum König an. Die Abbildung am Rand zeigt zweimal das Königszepter unter einer Krone.

Schein E

Auf der Vorderseite dieses Scheins findet sich eine Abbildung der drei Körbe an der Südseite des alten Lambertikirchturms, der Korb des Königs in der Mitte hängt erhöht. Die plattdeutsche Erklärung auf dem Schein lautet: „Jan, Knipperdollinck un Krechting sind fangen, daudmakt un an Lambertitaon hangen“.

Die Rückseite zeigt die Hinrichtung der drei Anführer am 22. Januar 1536; darunter steht: „Alls, wat met Jan van Leyden pakteert, dat häbbt se fangen un massakreert“. Am Bildrand erscheinen zwei Zangen. Fälschlich ist hier der 23. Januar genannt. Auch stimmt die Darstellung, dass alle drei Verurteilten gleichzeitig mit glühenden Zangen gequält wurden, nicht mit der schriftlichen Überlieferung überein. Sie beruht auf der fehlerhaften Abbildung im Werk von Hermann Kerssenbroick aus dem Jahre 1771.

Das Notgeld von Münster – ein echter „Renner“

Mit dem Datum vom 1. August 1921 wurden die Scheine zu 50 Pfennig und 2 Mark im Nennwert von zusammen 12,50 Mark vermarktet. Professionelle Notgeldhändler wollten sofort Teile der Auflage übernehmen. Der Magistrat hatte den Alleinvertrieb jedoch der Büro-Bedarfs-Großhandlung Josef Michael Brockmann in Paderborn übertragen. Der Verkauf zog sich über eineinhalb Jahre hin. Die Serie mit den Stadtbildern wurde etwa siebenmal schneller verkauft als das „Wiedertäufernotgeld“. Der hohe Nennwert dürfte dafür verantwortlich sein.

Die Scheine stellen kein echtes Notgeld dar, sie gelangten nie in den Geldumlauf. Es wurde sogar ein Aufschlag von 1,50 Mark erhoben, so dass die Serie 11,50 Mark kostete. Der Herausgeber der Fachzeitschrift „Das Notgeld“, Dr. Arnold Keller, forderte Ende 1921 den Regierungspräsidenten in Münster auf, die Ausgabe zu unterbinden, da sie in dieser Art mit einem Nennwert von 2 Mark je Schein nicht legal sei. Die Stadt berief sich jedoch darauf, dass die Scheine kein Notgeld, sondern „Kunstblätter“ seien. Als Begründung wurden der erhöhte Abgabepreis und die Auslieferung in Mappen angeführt. Ein Verkaufsverbot erfolgte daher nicht. Neben dem finanziellen Aspekt verfolgte die Stadt mit dem Verkauf außerdem Werbezwecke, da die Scheine im gesamten Deutschen Reich verbreitet wurden.

Vom Notgeld zur Schokolade

Die Verbreitung des „Wiedertäufernotgelds“ in den 1920er Jahren förderte die Popularität der Wiedertäufer in Münster so stark, dass verschiedene Produkte unter diesem Namen vermarktet wurden. Neben dem „Wiederdäuper-Water“ der Brennerei Lördemann wurde so z.B. auch „Wiedertäufer-Schokolade“ hergestellt und vertrieben.

Weiterführende Literatur:

Barbara Rommé (Hg.): Das Königreich der Täufer. Band 2: Die münsterischen Täufer im Spiegel der Nachwelt. Münster 2000.

– Thier, Bernd: „Notgeldscheine der Stadt Münster“ (Kat. Nr. 136), S. 54–57.

– Thier, Bernd: „Wiedertäufer-Schokolade“ (Kat. Nr. 137), S. 58–59.