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Gemeinsam für die Kunst – Die Anfänge der Freien Künstlergemeinschaft Schanze

Eine Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen 2019/2020

Eine Künstlergemeinschaft, die auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, ist eine Seltenheit im Kunstbetrieb. 1919 oder 1920, da ist sich die Freie Künstlergemeinschaft Schanze aus Münster selbst nicht so sicher, schlossen sich vier Maler und zwei Bildhauer zusammen, um gemeinsam Werbung für moderne und aktuelle Kunst zu machen. Die Schanze, wie die Gemeinschaft auch kurz genannt wird, ging hierbei neue Wege. Sie schaffte es, mit anfänglich kleinen und dann immer umfangreicheren Kunstausstellungen, aber auch mit ausgefallenen Karnevalsfesten und anderen Aktionen große Aufmerksamkeit zu erregen und schließlich zu einer bis heute bekannten und aktiven Institution zu werden.

Ihre Mitglieder – Bildhauer, Grafiker, Maler und Architekten – prägten nachhaltig das Stadtbild und die Kunstszene während der Zeit der Weimarer Republik in Münster. In den ersten Jahren gehörten auch Musiker, Tänzer und Literaten der Gemeinschaft an; sie gingen später jedoch andere Wege.

Einen ersten Höhepunkt und somit das erste große Etappenziel erreichte die Schanze 1930 mit einer Doppelausstellung im Landesmuseum der Provinz Westfalen und in den Städtischen Kunststuben. Die Stadt Münster würdigte die Verdienste der Gemeinschaft mit einer Ehrenplakette.

Die Ausstellung Gemeinsam für die Kunst – Die Anfänge der Freien Künstlergemeinschaft Schanze präsentierte daher anlässlich des Jubiläums 2019/2020 bedeutende Werke der Gründergeneration aus den Jahren zwischen 1920 und 1930. Arbeiten von bekannten sowie heute fast vergessenen Künstlern geben Einblicke in eine Zeit, in der die moderne Kunst Einzug hielt in die Provinzialhauptstadt Münster. Die Gemälde, Grafiken, Zeichnungen, Reliefs, Skulpturen, Plaketten und Plakate sind stilistisch geprägt vom Nachkriegsexpressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Zu entdecken sind jedoch ebenso Werke des Spätimpressionismus und der beginnenden abstrakten Malerei im Bauhausstil.

Münsterische Künstler im Ersten Weltkrieg (1914–1918)

Um die allgemeine Lage zur Zeit der Gründung 1919/1920 besser verstehen zu können, ist es wichtig, die Ausgangssituation in jenen Jahren zu kennen: Die Begeisterung „für Kaiser, Volk und Vaterland“ bewegte bei Kriegsbeginn im Juli 1914 viele junge Männer, freiwillig in den Krieg zu ziehen. Man rechnete mit einem schnellen Sieg, Weihnachten 1914 wollte man wieder in der Heimat sein. Dass bis 1918 nahezu 17 Millionen Menschen den Tod fanden, konnte und wollte niemand ahnen.

Auch aus der jüngeren Künstlergeneration zogen viele Männer als Soldaten an die Front. Mit der modernen Kunst waren sie zuvor in Kontakt gekommen, ihre künstlerische Karriere wurde allerdings für Jahre unterbrochen. Viele Wegbereiter der Moderne fielen auf den Schlachtfeldern in Europa.

Zahlreiche Künstler aus Münster waren ebenfalls im Kriegseinsatz. Der erst 27-jährige Aloys Röhr kämpfte ab 1914 vier Jahre an der West- und Ostfront. Von dort schickte er seiner Familie zahlreiche handgezeichnete Feldpostkarten, die den zermürbenden Alltag der Soldaten illustrieren. Der 50-jährige münsterische Historienmaler Fritz Grotemeyer war zu alt für den Fronteinsatz. Er bereiste 1914 als Kriegsmaler die Westfront. Seine vor Ort angefertigten Skizzen wurden in illustrierten Zeitschriften veröffentlicht. 1916 unternahm er eine mehrmonatige Reise zu den Kriegsschauplätzen im Osmanischen Reich in der heutigen Türkei und in Palästina, von der er schwer erkrankt zurückkam.

Von den späteren Mitgliedern der münsterischen Freien Künstlergemeinschaft Schanze waren viele als Soldaten an der Front, u. a. Friedrich Wilhelm Liel, Albert Mazzotti, Aloys Röhr, Leo Burgholz, Theo Hölscher, Josef Wedewer, Hermann Kissenkötter und Arnold Schlick. Sie alle teilten das Schicksal, das zu Beginn ihrer künstlerischen Entwicklung der Krieg eine grausame Zäsur darstellte. Dies ist vielfach in späteren Jahren an ihren Werken ablesbar.

Münster 1919

Nach vier Jahren Krieg, Hunger und Entbehrungen waren 1918 auch die Menschen in Münster von den Kriegseinwirkungen gezeichnet. Viele Ehemänner und Söhne waren gefallen, die Versorgungslage war schlecht, die meisten Lebensmittel rationiert. Die Soldaten kehrten verwundet und traumatisiert zurück. Die Ausrufung der Republik in Berlin am 9. November 1918 beendete zwar das Deutsche Kaiserreich, führte aber auch zu Aufständen in Berlin Anfang 1919.

Im Zuge der sogenannten Novemberrevolution bildeten sich auch in Münster Arbeiter- und Soldatenräte. Nur durch eine militärische Aktion ehemaliger Frontsoldaten der sogenannten Freikorps wurde die Herrschaft der Arbeiter- und Soldatenräte in Münster beendet. Der Alltag, auch auf politischer Ebene, kehrte trotz unruhiger Zeiten langsam zurück. Am 28. Juni 1919 wurde der Versailler Friedensvertrag unterzeichnet, der den Ersten Weltkrieg auch offiziell beendete.

Die Provinzialhauptstadt Münster war Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt von preußischen Beamten, vom Militär, der Universität mit ihren Akademikern und vom Bürgertum. Neuem gegenüber war man verschlossen, so auch der modernen Kunst. Später wurde die damalige Situation von einem münsterischen Kaufmann und Kunstmäzen folgendermaßen beschrieben: „Münster, die Stadt der Beamten und Rentner, hatte bis zum Kriege die geistige Haltung des ‚gebildeten Mittelstandes‘ um die Jahrhundertwende, war also etwa 10–20 Jahre zurück. Das Bürgerliche Weltbild stand fest wie ein ‚rocher de bronze‘ [eherner Fels]. Grundsätzliche Entscheidungen auf geistigem oder künstlerischem Gebiet waren nicht beliebt. Man suchte nur ‚Anregungen‘, d. h. das gänzlich Unverbindliche, das Interessante, das Sentimentale. Man liebte die kitschigen Bilder, aber schüttelte bei jedem Versuch einer neuen und kühnen Gestaltung bedenklich den Kopf, wenn man nicht gar mit lauter Entrüstung protestierte.“

Nach dem offiziellen Ende des Ersten Weltkrieges am 11. November 1918 kehrten viele Soldaten erst allmählich mit ihren Regimentern zurück zu ihren ursprünglichen Standorten und Kasernen. Auch die aus dem Krieg heimgekehrten Künstler mussten ihren Platz in der Gesellschaft neu finden. Geld und Verständnis für moderne Kunst waren kaum vorhanden. Viele arbeiteten daher zum Broterwerb zunächst in anderen Berufen. Künstlerische Arbeiten aus jenen Jahren sind selten. Ausstellungen, denen sie ihre Werke der Öffentlichkeit präsentieren konnten, wurden nicht veranstaltet, künstlerische Erfolge blieben daher aus.

1919 oder 1920? Die Legende von der Gründung der Freien Künstlergemeinschaft Schanze

Künstler sind keine Archivare oder Historiker. Um die Anfänge der Freien Künstlergemeinschaft Schanze ranken sich zahlreiche Legenden, ein exaktes Gründungsdatum ist nicht bekannt. Angeblich sollen sich nach einem Zeitungsinserat von Bernhard Peppinghege erstmals 1919 vier Maler und zwei Bildhauer im Lortzingsaal des Café Grotemeyer an der Salzstraße getroffen haben, um eine Künstlergemeinschaft zu gründen: Bernhard Peppinghege, Friedrich Wilhelm Liel, Bernhard Bröker, Ernst Hermanns, Albert Mazzotti und Aloys Röhr.

F. W. Liel, der Kanzler der Schanze, berichtet 1930 von der Gründung im November „vor 10 Jahren“ (1920), ein Reporter im Münsterischen Anzeiger 1922 vom „Herbst letzten Jahres“ (1921). Man kann eher von einem Prozess sprechen, in dem die Gründer sich im Verlauf der Jahre 1919 bis 1921 zusammengefunden haben. Auch der Name „Schanze“ für die Gruppe scheint erst seit 1921 verwendet worden zu sein.

Die jungen Mitglieder der Schanze wollten nach dem Ersten Weltkrieg der Kunst im Allgemeinen in Münster Geltung verschaffen. Man hoffte sich gegen die ältere Generation der etablierten Künstler zu behaupten und sah Chancen für einen Neubeginn. Die Künstler suchten nach besseren Ausstellungsmöglichkeiten, hofften auf Besprechungen und eine Anerkennung ihrer Arbeit in der Presse, in der sonst nur über das Theater oder Konzerte berichtet wurde.

Die Schanze sollte ein gemeinsames Zentrum aller geistig und künstlerisch schaffenden Persönlichkeiten sein, man wollte gerade nicht einen einheitlichen Kunststil propagieren, wie andere programmatische Künstlervereinigungen in Deutschland vor dem Krieg. In der Anfangszeit waren neben Malern, Grafiker, Bildhauern und Architekten auch Tänzer, Literaten und Musiker Mitglieder.

Die Schanze stellt aus

Im Jahr 1922 veranstaltete die Schanze erstmals eine Verkaufsausstellung im Landesmuseum. Das dabei zur Werbung verwendete Logo der Gemeinschaft, eine stilisierte Schanze, wurde nur bis 1924 verwendet und dann von dem bis heute bekannten liegenden S abgelöst, vermutlich entworfen von Aloys Röhr.

Gezeigt wurden Gemälde, Grafiken und Skulpturen von Liel, Hase, Bröker, Peppinghege, Hermanns, Faßbender, Mazzotti und Röhr.

Es folgten jährliche Ausstellungen im Landesmuseum sowie seit 1923 gelegentlich auch im Theater an der Neubrückenstraße. Neben den Mitgliedern der Schanze waren 1923 und 1924 auch Gäste vertreten, darunter drei Künstlerinnen: Christel Runge, Martha Worringer und Paula Häberlin, die Aquarelle und Textilarbeiten zeigten. Die Architekten stellten ihre Architekturentwürfe aus. Aus dem Jahr 1924 stammt auch der erste Ausstellungskatalog. Wie bei der Gründung beabsichtigt, wurde in der münsterischen Presse ausgiebig und wohlwollend über die Ausstellungen der Schanze berichtet. Die Künstler waren nun in der Stadt bekannt, Mitglied der Schanze zu sein kam fast einer Auszeichnung gleich. Auch wenn sie kein einheitlicher Stil verband, bürgten ihre Arbeiten für handwerkliche und künstlerische Qualität.

Die Stadt Münster stellt der Schanze ab 1929 die Städtischen Kunststuben an der Bergstraße für Ausstellungen zur Verfügung. Dort und im Landesmuseum wurde zum 10-jährigen Jubiläum 1930 die wohl größte Ausstellung der Schanze gezeigt: In neun Räumen waren über 100 Gemälde, außerdem Grafiken und Skulpturen zu sehen. Bei der Eröffnung waren zahlreiche offizielle Vertreter der Stadtverwaltung Münster zugegen, was einer Anerkennung und Würdigung der Arbeit der Gemeinschaft gleichkam.

Die „Köpfe“ der Schanze bis 1930

„Die Schanze ist ein ordentlicher und sehr vernünftiger Verein“

Die bis heute existierende Freie Künstlervereinigung Schanze ist ein Zusammenschluss von Künstlern, die in Münster geboren wurden oder hier leben und arbeiten. Wie in jedem Verein gab es von Beginn an eine Vereinssatzung, Mitgliedsausweise, Aufnahmeanträge, Fördermitglieder (Paten), einen Vereinsvorsitzenden (Kanzler) und einen Beirat (Rat der Fünf).

Der erste Kanzler, Friedrich Wilhelm Liel, wohnte und arbeitete im Zwinger, einem Stadtmauerturm des 16. Jahrhunderts, der damit zur Keimzelle der modernen Kunst in Münster wurde. Hier tagte und feierte die Schanze bis 1935 regelmäßig. Die anfänglich zur Gemeinschaft gehörenden Tänzer führten dort ungewöhnliche moderne Choreografien auf.

Wie fast jeder Verein in Münster organisierte die Schanze ab 1926 auch regelmäßig interne Schützenfeste, bei denen ein König ausgeschossen wurde. An der Schützenkette verewigten sich diese mit ausgefallenen Kleinkunstwerken. Ab 1927 kamen aufwändige Karnevalsfeste hinzu

Die Paten, kunstinteressierte Verwaltungsbeamte, Kaufleute, Fabrikanten, Professoren und Schriftsteller, erhielten für ihre Unterstützung Kunstwerke der Mitglieder. Oft waren es speziell angefertigte Mappenwerke mit Holz- oder Linolschnitten, in denen auch Texte der Literaten der Schanze abgedruckt wurden. Für die Förderer wurden am Tag des Heiligen Lukas (18. Oktober), dem Schutzheiligen der Maler, regelmäßig Feste gefeiert.

Die 1935 angelegte, handgeschriebene Chronik vermittelt einen Eindruck in die Kunst und Geschichte dieses bis 1950 reinen Männervereins, in der viele persönliche Anekdoten, Anspielungen und u. a. auch Geschichten über Trinkgelage notiert wurden.

Die Künstlergemeinschaft

Für die Gestaltung des Erscheinungsbildes der Schanze auf Plakaten, Einladungen, Katalogen und anderen Druckwerken trugen in den frühen 1920er Jahren bis um 1925 Aloys Röhr und Heinrich Benteler die Verantwortung, dann Hans Pape und ab 1929 Hans Kraft. Nur wenige Mitglieder konnten von ihrer künstlerischen Arbeit leben wie die Bildhauer Albert Mazzotti und Aloys Röhr. Andere arbeiteten als Lehrer an der Städtischen Schule für Handwerk und Kunstgewerbe wie Hans Pape und Joos Jaspert, manche als Kunsterzieher an Gymnasien wie Josef Wedewer und Hans Kraft.

Architekten der Schanze wie Heinrich Benteler, Hans Ostermann, Franz Wethmar und Wilhelm Wucherpfennig beauftragten oft Vereinsmitglieder mit der künstlerischen Ausgestaltung ihrer Neubauten in Münster oder anderen Orten in Westfalen. Das bekannteste Bauwerk in Münster ist das 1930 eingeweihte Deutsche Studentenheim am Breul. Durch Wandgemälde, Glasfenster und die Ausstattung mit Gemälden, Grafiken und Skulpturen wurde das Gebäude zu einem Gesamtkunstwerk, ganz im Sinn der Gründer der Schanze.

Der persönliche und freundschaftliche Kontakt zwischen den Mitgliedern war sehr eng. So finden sich in den Nachlässen der meisten Künstler jener Jahre Werke ihrer Kollegen und oft auch originale Kleingrafiken, die zu Verlobungen, Hochzeiten, Geburten und Taufen oder zu Weihnachten bzw. zum Neuen Jahr versandt wurden.

Die Schanze lädt zum Fasching

Mit dem Künstler Hans Pape, der als Lehrer an die Städtische Schule für Handwerk und Kunstgewerbe in Münster aus München berufen worden war, kam offenbar auch die Idee der dort seit dem 19. Jahrhundert gefeierten Künstlerfeste in die Stadt. Während der Karnevalszeit veranstaltete die Schanze seit 1927 jährlich Faschingsfeste im großen Festsaal des Hotels Fürstenhof am Marienplatz, später auch in der Stadthalle an der Neubrückenstraße. Die Künstler inszenierten ihre Auftritte auf der Bühne, befreundete Musiker, Tänzer und Literaten waren oft als Gäste anwesend.

Die Maler der Schanze gestalteten spektakuläre und phantasievolle Raumdekorationen. Wände, Bühne, Vorhänge und auch Decken waren aufwändig verziert. In den frühen Jahren waren es vor allem Joos Jaspert und die Klasse der Städtischen Schule für Handwerk und Kunstgewerbe, die begehbare Gesamtkunstwerke schufen. Alles war künstlerisch gestaltet, es herrschte Kostümzwang. Auch die Plakate, Einladungen und Eintrittskarten nach Entwürfen von Hans Pape und Hans Kraft nahmen das Thema Kunst und die Motive der Schanze auf. Die originellen Titel waren Programm: Rote Komode (1927), Aquarium (1928) und Terpentikel (1930). Von der Presse wurden die Faschingsfeste der Schanze regelmäßig als die Höhepunkte der Saison bezeichnet. Auch andere Veranstalter ließen ihre Säle bald von Künstlern der Schanze dekorieren. Neben den Ausstellungen machten auch diese Feste die Künstler, denen es um die Gesamtheit der Kunst ging, in Münster bekannt.

Die Schanze und die neue Kunst

Viele Mitglieder aus der Gründergeneration der Schanze waren mit der Kunst der klassischen Moderne bereits vor dem Ersten Weltkrieg in Kontakt gekommen, einige hatten schon Werke z. B. im Stil des Impressionismus, des Pointillismus oder des Expressionismus geschaffen. Nach dem Krieg nahmen sie vielfach diese Strömungen wieder auf, ihre Arbeiten sind daher u. a. dem Spätimpressionismus oder dem Nachkriegsexpressionismus zuzuordnen.

Im Verlauf der 1920er Jahre veränderte sich vor allem bei den Malern der Stil hin zu realistischer Darstellung. Der Begriff Neue Sachlichkeit für diese Gemälde wird in der münsterischen Presse erstmals 1926 anlässlich der Jahresausstellung der Schanze verwendet. Vor allem Theo Hölscher, Hans Kraft und Josef Wedewer waren Vertreter dieses neuen Stils. Sie hatten ihr Kunststudium erst nach dem Krieg begonnen und gehörten daher zur jungen zweiten Generation der Schanze-Künstler.

Sie zeigten nicht mehr idyllische Landschaften, sondern die Großstadt in ihrer Funktion als Wohn- und Arbeitsort. Zu sehen sind daher nicht repräsentative Plätze und Bauwerke, sondern Hinterhöfe und Vorstadtstraßen. Auch abgebrochene Häuser, eine Sandgrube und immer wieder der Blick aus dem eigenen Atelierfenster wurden dargestellt. Die Werke enthielten jedoch keine Sozialkritik und waren eher unverfänglich. Auch politische Aussagen sucht man vergebens.

Porträts wurden zu einer wichtigen Erwerbsquelle. Neben Selbstbildnissen der Maler entstanden so auch Porträts selbstbewusster junger Frauen.

Auch die Darstellung des nackten Körpers findet man vielfach.

Die Künstler der Schanze schufen religiöse Bildnisse für Kirchen und Kapellen, eindrucksvolle Tierskulpturen, Entwürfe für Porzellan, Medaillen, Plaketten, Plakate und immer wieder Gebrauchsgrafiken. In Münster begegnete man ihren Werken daher fast überall.


Und wie ging es weiter? Eine kurze Geschichte der Freien Künstlergemeinschaft Schanze von 1930 bis 2019 in Stichworten:

1932 „Kunst gegen Ware“: Im Kontext der Weltwirtschaftskrise dienen Arbeiten münsterischer Künstler zum Austausch für praktische Dinge des täglichen Lebens.

1932 Krise in der Schanze: Einige Künstler schließen sich der Münsterischen Sezession an, andere bleiben der Jahresausstellung fern.

1933 Die Schanze wird im Zuge der Gleichschaltung Mitglied in der „Reichskammer der bildenden Künste“ und im „Fachverband deutscher Kunstvereine“. Die meisten Mitglieder arrangieren sich mit dem Nationalsozialismus oder fertigen unverfängliche Bilder. Das Vereinsleben bleibt bestehen und wird in Form von Künstler-, Karnevals- und Schützenfesten zelebriert. Man versuchte jedoch auch das Interesse der Bevölkerung an „volksverbundener Kunst“ im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie für sich zu nutzen. Kanzler Ernst Hase tritt zurück, Nachfolger wird Theodor Sudbrack, später Paul Waldow. Einige Mitglieder bleiben der Jahresausstellung fern.

1934 Erste Ausstellung im Rathaus

1935 15-jähriges Jubiläum der Schanze

1936 Ankauf von Werken einiger Mitglieder der Schanze durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und anderen Regimeinstitutionen.

1939–1945 Zweiter Weltkrieg: Ausstellungen der Schanze u. a. im Landesmuseum. Arbeiten von Mitgliedern werden auch in Ausstellungen westfälischer Kunst gezeigt. Einige Künstler sind Soldaten oder Kriegsmaler an der Front.

1947–1958 Beteiligung von Mitgliedern der Schanze wie etwa der Architekten am Wiederaufbau der Stadt Münster. Ankäufe
von künstlerischen Arbeiten für neu errichtete Gebäude.

seit 1949 Verstärktes Auftreten abstrakter und provokanter Kunst unter den Mitgliedern der Schanze, initiiert durch den ‚jungen Kreis‘ neuer Mitglieder.

1950 Frauen dürfen Mitglieder der Schanze werden.

1953 25. Künstlerfest seit Bestehen der Schanze in der Stadthalle

1954 Erneute Krise in der Schanze: Durch einen Generationskonflikt reicht nur die Hälfte der Mitglieder Arbeiten für die Jahresausstellung ein.

1955 Die Schanze zählt 57 aktive Mitglieder und 162 Fördermitglieder.

seit 1960 widmen sich die Mitglieder verstärkt der gegenstandslosen Kunst; erstmals werden Fotoarbeiten in einer Ausstellung gezeigt.

1966 Die Forderung nach einer Auflösung der Schanze wird diskutiert.

1978 Aufnahme junger Mitglieder für die Weihnachtsausstellung im Bürgersaal des Rathauses.

1985 Beginn des Aufbaus eines Archivs der Schanze (heute als Depositum im Stadtmuseum Münster).

seit 1990 Kanzler Klaus Ebert knüpft überregionale Kontakte, u. a. in die Niederlande und nach Norwegen.

seit 2000 Kanzler Willi Landsknecht gelingt der Anschluss an die aktuellen Kunstströmungen, u. a. durch die Einbeziehung neuer Medien.

2016 Miriam Przygoda wird erste Kanzlerin der Schanze.

2019 100-jähriges Jubiläum der Schanze

2019/2020 Ausstellung Gemeinsam für die Kunst – Die Anfänge der Freien Künstlergemeinschaft Schanze im Stadtmusuem Münster

Literaturauswahl zur Geschichte der Freien Künstlergemeinschaft Schanze in den 1920er Jahren:

Zehn Jahre Freie Künstlergemeinschaft Schanze zu Münster i.W., Eine Festschrift 1920-1930, Münster 1930.

Dritte Ausstellung der Freien Künstlergemeinschaft Schanze im Landesmuseum zu Münster i.W. März-April 1924, Ausstellungskatalog, Münster 1924.

Die Freie Künstlergemeinschaft Schanze. Zur 25. Jahresschau, Münster 1947.

Rita Kauder-Steiniger, Die „Freie Künstlergemeinschaft Schanze“ in Münster 1919 bis 1933, in: Westfalen 74, 1996, S. 181–200.

Rita Kauder-Steiniger, Avantgarde in Münster?, in: Avantgarden in Westfalen? Die Moderne in der Provinz 1902–1933, Münster 1999, S. 49–58.


Wir danken dem Porzellanmuseum Münster e.V. und allen privaten Leihgebern, die uns freundlicherweise Gemälde, Skulpturen und Porzellanobjekte für die Dauer der Ausstellung zur Verfügung gestellt haben!