Die Westfälische Weihnachtskrippe
Eine bemerkenswerte Krippe des Bildhauers Albert Mazzotti
Aus altem münsterischen Familienbesitz erwarb das Stadtmuseum Münster 1993 – leider ohne die typischen „westfälischen“ Anteile – ein Krippenensemble der so genannten „Westfälischen Weihnachtkrippe“ des münsterischen Bildhauers und Medaillieurs Albert Mazzotti (sen., 1882–1951).
Die interessante Geschichte diese bemerkenswerten Krippe soll hier kurz erläutert werden.
Vorhanden sind bei der Krippe des Stadtmuseums Münster die hl. Familie, Maria, Joseph und das Christkind in der Krippe, der Ochse und der Esel, ein Hirtenjunge mit Schaf, vier Schafe, davon eines als Widder mit Hörnern, die hl. drei Könige sowie ein Dromedar mit einem Führer. Die Könige sind als Chinese, Ritter und Mohr mit Turban gestaltet, bei dem Mohren trägt außerdem ein farbiger Junge den als Schleppe ausgebildeten Mantel. Um das Ensemble der ehemals 20 Figuren zu komplettieren, fehlen zwei Schafe, ein kniender alter bärtiger Hirte, ein grüßender Hirte mit Stock und Hut, gestaltet als westfälischer Bauer mit Kittelschürze, Hut, Weidenkorb und Holzschuhen, eine so genannte „Hirtenmagd“, die stark einer westfälischen Bäuerin ähnelt und ein Kopftuch sowie Holzschuhe trägt. Ebenfalls nicht vorhanden ist der an einem Krippengebäude zu befestigende große Glorienengel.
Historische Fotografien der „Westfälischen Weihnachtkrippe“
Im Nachlass von Albert Mazzotti liegen jedoch historische Fotografien dieser und anderer Figuren der frühen 1950er Jahre vor.
Weitere historische Bilder zeigen noch einmal die hl. Familie im Detail bzw. ein vollständiges Krippenensemble in einer Aufstellung aus der Zeit um 1950. Dort ist rechts auch der westfälische Bauer zu erkennen.
Die Clemensschwester
Als ungewöhnliche Ergänzung zu dieser Krippe erhielt das Stadtmuseum im Jahr 2001 aus dem Nachlass des Künstlers, der neben religiösen Figuren auch Brunnen, Denkmäler, Grabdenkmäler, Figurenschmuck an Hausfassaden, Medaillen und Plaketten fertigte, eine weitere Figur, deren Zugehörigkeit zu einer weihnachtlichen Szene auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist.
Es handelt sich um eine Clemensschwester, Mitglied eines in Münster ansässigen Ordens, der sich bis heute vor allem um die Krankenpflege verdient macht. Zu den in den späten 1920er und 1930er Jahren nach und nach gestalteten klassischen Krippenfiguren fügte Albert Mazzotti (sen.) diese Figur erst 1947 hinzu. In den Kriegsjahren, an denen er aus Altersgründen nicht aktiv als Soldat teilnehmen musste, litt er unter schwerer Diabetes und wurde von Mitgliedern des Ordens von 1944 bis 1947 im Krankenhaus im sauerländischen Meschede gepflegt. Aus Dankbarkeit modellierte er daraufhin die Figur einer betenden Schwester in der typischen Ordenstracht, die fortan zum Ensemble gehörte. Da die Krippen in der Regel aufgrund der hohen Anschaffungskosten nach und nach vervollständigt wurden, gelangten allerdings nur wenige Clemensschwestern tatsächlich in den Verkauf.
Krippen der Familie Mazzotti
Die Ausführung der Krippen erfolgte von Beginn an in den Kunstwerkstätten Peter Mazzotti (Ritterstaße 12), die zunächst von seinem Vater Pietro (Peter) Mazzotti, später von seinem Bruder Peter geleitet wurden. Das Figurenprogramm der „Westfälischen Weihnachtskrippe“ orientierte sich dabei an den Krippen seines Vaters Pietro, weist aber eigene Elemente auf, die besonders in der Gestaltung der westfälischen Bäuerin und des Bauern als Hirten zum Ausdruck kommt. Vater Pietro Mazzotti hatte um 1910 drei verschieden Krippen im Programm, die sehr unterschiedlich gestaltet waren. Sie sind oft mit den Initialen „PM“, gelegentlich auch mit den Jahreszahlen (19)06 oder (19)07 gekennzeichnet und waren in sieben verschiedenen Größen zu 12, 23, 30, 40, 60, 70 und 80 cm lieferbar. Das zwanzigteilige Ensemble umfasste das Jesuskind, Maria, Joseph, drei Könige, drei Hirten, ein Dromedar, einen Führer, Ochse, Esel, sechs Schafe und einen Glorienengel. Der Preis je Krippe schwankte in der Ausführung in Gips unbemalt von 3 bis 6 Reichsmark bei 12 cm großen Figuren bis zu 70,50 bzw. 175 Reichsmark bei den 80 cm großen Figuren unbemalt bzw. bemalt. Die Herstellung dieser älteren Figuren lief offenbar im Verlauf der 1930er Jahre aus.
Die Produktion der „Westfälischen Weihnachtskrippe“ von Albert Mazzotti (sen.) wurde auch in den Nachkriegsjahren aufrecht erhalten und lag wieder in den Händen der Kunstwerkstätten Peter Mazzotti (jetzt Bergstraße 60) sowie bei dem Sohn Albert Mazzottis (sen.), Albert Mazzotti (jun.) an der Bergstraße 50. In Prospekten der 1960er Jahre erschien nun die Clemensschwester nicht mehr, da die Nachfrage offenbar zu gering war. Bei Peter Mazzotti kostete die aus 25 Teilen bestehende Krippe in Holztönung 76,25 DM, in antiker Polychromierung 106,75 DM. Albert Mazzotti (jun.) bot 21 polychromierte Figuren zum Einkaufspreis für Devotionalienhändler für 110 DM an, der angestrebte Verkaufspreis lag bei 150 DM.
Die Produktionskosten für die aufwändigen, handbemalten polychromen Ausführungen stiegen jedoch aufgrund der wachsenden Lohnkosten immer weiter an, so dass sie zeitweise nur terrakottafarbig bemalt wurden. Albert Mazzotti jun. ließ die Figuren dann – noch preisgünstiger – in einer Art Kunststoff, dem von ihm entwickelten sogenannten „Albernit“, gießen. Auch diese Figuren gab es nur in einer weißen bzw. terrakottafarbenen Variante. In den späten 1960er Jahren wurde die Produktion der „Westfälischen Weihnachstkrippe“ eingestellt wurde. Viele Ausführungen sind jedoch in münsterischen Privatbesitz erhalten geblieben.
Literatur:
Bernd Thier, Westfälische Weihnachtskrippe, in: B. Rommé (Hg.), Geschichte der Stadt Münster, Stadtmuseum Münster, Münster 2005, S. 298–299.