Dokumente zu Elisabet Ney
Zeitgenössische Aussagen zu und von Elisabet Ney
Eine große Auswahl von Briefen, Tagebüchern und viele andere original Quellen finden Sie im Wortlaut auf der dem Katalog „Herrin ihrer Kunst. Elisabet Ney in Europa und Amerika“, Ausstellungskatalog Stadtmuseum Münster, hrsg. von Barbara Rommé; Köln 2008, beigelegte CD.
„Im Oktober 1859 kam die Bildhauerin Elisabeth Ney, Großnichte des Marschalls, aus Berlin hierher, um meine Büste zu machen. Sie ist sehr hübsch und unbeschreiblich liebenswürdig. Sie arbeitete in einem abgesonderten Zimmer meines jetzigen (viel schöneren und größeren) Logis, Tag für Tag, fast vier Wochen lang … Die Büste ist vierzehn Tage lang ausgestellt gewesen und von allen höchst ähnlich befunden worden und sehr schön gearbeitet. Sie sollte nun nach Berlin, um dort vervielfältigt und verkauft zu werden, und Weihnachten wollte Fräulein Ney in Berlin sein; nachdem sie zuvor in Hannover gewesen, den König in Marmorbüste zu machen.“
Arthur Schopenhauer an Adam von Doß, Frankfurt a. M. 1. März 1860 (abgedruckt bei Müller-Münster 1931, S. 35)
„Sie ist weder Frau noch Mädchen, sondern eine Künstlerin, und damit ist alles gesagt. Ein Weib, welches von ihrem 16. Jahr an männliche Körper lebend modelliert hat, muß wohl exzeptionelle Ansichten und Gefühle hegen, und es scheint mir nicht gerecht, ihr vorzuwerfen, daß sie nicht denkt, wie andere.“
Justus von Liebig an Friedrich Wöhler, München 31. Dezember 1870
abgedruckt bei Thomas Steinhauser, „Sie ist eine höchst merkwürdige Natur:“ – Elisabet Ney im Briefwechsel der Chemiker Justus von Liebig und Friedrich Wöhler, in: Herrin ihrer Kunst. Elisabet Ney in Europa und Amerika, Ausstellungskatalog Stadtmuseum Münster, hrsg. von Barbara Rommé; Köln 2008, S. 111 (BSB München, Liebigina II A 1, Liebig an Wöhler, Nr. 647, 31. Dezember 1870).
„Dieses Museum ist das Mekka für Kunstliebhaber in Texas: Es war einst das Heim einer Bildhauerin von internationaler Bedeutung, deren Ruhm fortleben wird, auch wenn ihre marmornen Kunstwerke zerfallen sein sollten.“
Führer durch die Hauptstadt von Texas, Handelskammer Austin 1925
Elisabet Ney, Meine Zeit mit dem General Garibaldi (1865)
Baylor University, Waco/Texas
Ney-Montgomery Papers, The Texas Collection, 2G405 folder 10
Überarbeitung für den 180. Geburtstag
aus dem Englischen übersetzt von Charlotte Bruns und Barbara Rommé
dialogisch inszeniert von Carsten Bender und Barbara Rommé
vorgetragen von Carsten Bender und Katharina Tiemann
Elisabet Ney, in ihrem Tagebuch lesend, erinnert sich.
Sonntag.
Nach einer ruhigen Seeüberfahrt von Genua nach Maddalena bin ich dort am Sonntag, den 6. Mai, um 12 Uhr mittags angekommen.
Kein Lächeln auf dem Gesicht des Generals; ernste fragende Blicke warf er mir zu, aber er gab mir auch seine Hand. Ich setzte mich hin …
Garibaldi: Sprechen Sie kein Französisch?
Ney: Nein, sehr wenig; hat Frau Schwarz von mir erzählt?
Garibaldi: Ja, sie sagte, sie würden im letzten Herbst kommen.
Ney: Das plante ich, sie hat nach Erlaubnis gefragt, um Ihre Büste zu machen. Welche Antwort gaben Sie ihr?
Garibaldi: Ich sagte nein.
Ney: Ich habe das erwartet; ich hätte es genauso gemacht; ich habe nie einen Brief von ihr bekommen.
Ich wollte nicht, dass sie Sie fragt, nur dass sie von mir erzählt und von
meiner Intention. Ich bin gekommen, mir die Antwort selbst abzuholen.
Garibaldi: Ich mag es nicht zu sitzen. Wie lange müsste ich sitzen?
Ney: Acht Stunden.
Garibaldi: Acht Stunden an einem Stück?
Ney: Oh nein, das nicht, immer nur für eine kurze Zeit, wie Sie mögen. Sie können sich bewegen nach dem ersten Beginnen. Seit zwei Jahren wünsche ich mir außerordentlich, Ihre Büste zu machen. Keines der Portraits, die ich gesehen habe, ist gut.
Garibaldi: Ich werde sitzen. Als ich hörte, dass Sie angekommen sind, habe ich mich entschlossen zu sitzen; aber 8 Stunden!
Ney: Sie denken, dass es lang ist, aber das ist es nicht.
Garibaldi: Um wie viel Uhr beginnen Sie?
Ich sagte ihm, dass ich mich erbärmlich fühlte, seinen Frieden und seinen Komfort mit meiner Arbeit stören zu müssen, aber dass das Verlangen, die Büste zu machen, mir den Mut gab, all diese Gefühle zu überwinden.
Donnerstag hatte ich wieder eine kurze Sitzung: Diese Melancholie, in die er manchmal verfällt, veranlasst mich dazu, ihn zu bitten, den Raum zu verlassen.
Ich hoffte, er würde mich fragen, ob ich im Haus wohnen will, aber dem war nicht so; obwohl er sehr nett ist und mich zu mögen scheint …
Garibaldi: Was wollen Sie mit der Büste machen? Stellen Sie sich vor, jemand bietet 12.000 fl. dafür. Würden Sie sie dann nicht sofort verkaufen?
Ney: Falls einer Ihrer guten Freunde eine Marmorbüste haben wollen würde, dann müsste er nicht mehr dafür zahlen als das, was ich selbst für ihre Anfertigung zahlen musste.
Diese Antwort überraschte ihn.
Montag ging ich früh hinunter, nach dem Frühstück gegen 7 Uhr, um Garibaldi in seinem Garten einen guten Morgen zu wünschen. Er kam hervor zwischen seinen Rebstöcken, wo er arbeitete und setzte sich auf eine tiefe Steinmauer, die die Erde unterstützte. Sein Misstrauen und seine Zweifel schienen mehr und mehr zu verschwinden. Ich denke, die zurückgezogene Art zu Leben, der gleiche Ernst und vielleicht ein Schein von Melancholie, die ich nicht vertreiben kann, sind ihm eher sympathisch. – Er begann von seinen Hoffnungen für Italien zu sprechen. Er gibt dem König genauso die Schuld wie dem Volk …
Ney: Dachten Sie früher besser über den König?
Garibaldi: Nein, nie, er war nur notwendig.
Ney: Was für eine Person ist er?
Garibaldi: So wie sie alle sind: viele Frauen, viel Fleisch zum Essen und Saufen, und alles luxuriös. Du und ich wären zufrieden das ganze Jahr über Bohnen zu essen und würden nie einen Wunsch verfolgen, nur weil er uns einfach nur in den Sinn käme. Aber sie alle denken zu erst daran, alles für ihre Körper zu haben.
Dienstag saß Garibaldi wieder für mich, am Nachmittag …
Ney: Arbeiten Sie später noch im Garten?
Garibaldi: Kommen Sie ruhig vorbei, kommen Sie vorbei, wenn Sie Zeit haben. Ich verstehe mich gut mit Ihnen. Ich denke, wir sind uns von Natur aus sympathisch.
Im Garten erzählte er mir dann, dass ich ihn sehr interessiere und dass er manchmal, wenn er in der Nacht aufwacht, mit großen Fragen zu meinem Charakter an mich denkt.
Mittwoch.
Glücklicherweise habe ich all die Minuten, die die Sitzungen für die Büste gedauert haben, an die Wand des Zimmers geschrieben, in dem ich arbeite. Beim Mittagessen fragte ich Garibaldi, ob er weiß, wie viel Zeit er für die Büste bereits geopfert hat.
Garibaldi: Ich denke sehr viel.
Ney: Oft ja, aber zum jetzigen Zeitpunkt sind es nur 272 Minuten.
Am Nachmittag kam er, um mir noch einmal Zeit zu geben …
Garibaldi: Warum lassen Sie mich nur so eine kurze Weile bleiben?
Ney: Ich habe entdeckt, wie melancholisch sie beim Sitzen immer werden.
Garibaldi: Ah, ja das stimmt, wenn ich nicht mit irgendeiner Arbeit beschäftigt bin, überkommt mich die Melancholie. Es ist das Haus, an dem ich immer arbeite. Aber nun werde ich ein gutes Modell für Sie sein.
Donnerstag folgte ich dem General, um zu Gunsten meiner Statuette die interessante, wohlgeformte, sich leicht bewegende Figur zu beobachten. Ich glaube, dass ich nie so einen Torso sah, der so wie er durch das weiche rote Wolloberteil ausschaut, so nah an der Perfektion gemacht war. Die Schultern sind so gering hoch, wie der Hals unüblich kurz ist, aber die schönsten Knochen sind bedeckt und geglättet mit breiten, deutlichen Muskeln, die von der Großartigkeit und Einfachheit der Form, die man immer bei den besten Arbeiten der antiken Skulpturen sehen kann und die man dann für idealisiert hält. – Und wie überraschend es ist, diese geraden Linien des klassisch geformten Gesichts und die Brillanz des Ausdrucks zu sehen, die die der alten Helden in ihren Statuen noch übertrifft.
Zurück im Garten sagte er:
Garibaldi: Nun setzten wir uns ein bisschen hier hin und ich rauche eine Pfeife. Ha! Das ist ein Leben! Nicht wahr? Sehr reizend!
Ich konnte nicht antworten, aber mit einem Seufzer und dem traurigen Ausdruck meiner Haltung, verstand er es und setzte sich neben mich hin, seine kleine Pfeife mit Tabak füllend fuhr er fort:
Garibaldi: Ja, Sie verstehen mich, Sie – haben Mitleid mit mir, Sympathie für mich. Das macht mir viel Freude, denn ich schätze Sie sehr.
Dann erzählte ich ihm, dass ich diejenigen verachte, die ihn dazu verdammen, dieses Leben zu führen. Ich versuchte, Hoffnung aufkommen zu lassen und ihn zu trösten, indem ich ihm zeigte, dass er das Schicksal mit denen teilte, die vornehm und gut gelebt haben und Dankbarkeit verdienen. Ich sagte ihm, dass ihn auf der Insel zu sehen, mich an den alten Prometheus in Ketten erinnert. – Dies alles hat ihn beruhigt, und er war zufrieden mit dem letzten Vergleich.